top of page

The world is wide. Swim it. Ride it. Run it.

  • AutorenbildFabian Kremser

76

Aktualisiert: 13. Juli 2021

Es ist eine ganze Weile her, dass ich mich hier, auf meiner eigenen Website, zu Wort gemeldet habe. Das hat mehrere Gründe, allen voran wohl aber die Tatsache, dass es aus meiner Sicht in den letzten Monaten nicht sonderlich viel zu berichten gab. Die Zeiten, in denen ich die ganze Welt (oder zumindest den Teil, der sich meine Online-Ergüsse hin und wieder zu Gemüte führte) permanent auf dem Laufenden hielt während ich schwamm, Rad fuhr und lief, sind schon eine ganze Weile vorbei. Nicht, weil ich diese Dinge nicht mehr tue und geniesse sondern vielmehr, weil sich die Zeiten ändern.


Ich verspüre schlicht nicht mehr das Bedürfnis, den Äther von meinem ach so harten Schicksal als Sportler zu überzeugen. Hartes Training, Schmerzen, Paincave... die Zeiten, in denen ich der Ansicht war, dass mich das alles in einem elitären, harten und erfolgreichen Licht erscheinen liess, sind, einmal mehr, eben einfach vorbei. Ausserdem gibt es auf Facebook, Instagram, Twitter und wie sie alle heissen genügend Leute, die genau das tun und die darin bedeutend besser sind als ich es je war. Möchte man das also, findet man es auch.


Warum also heute? Was ist an diesem Tag anders als an den anderen 364?


Klar - vermutlich lässt sich über jeden einzelnen Tag unseres Kalenderjahres sagen, dass an ihm irgendwo, irgendwann etwas geschehen ist, das von historischer Bedeutung war und das nicht in Vergessenheit geraten sollte.


Was den 27. Januar meiner persönlichen Meinung nach besonders macht, sind zwei Dinge: zum einen, dass an diesem Tag das Konzentrationslager Auschwitz Birkenau durch die Rote Armee befreit wurde. Dieser Tag ist seit 2005 international der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Zum anderen, dass dies, so denn überhaupt, diese Tage kaum noch jemand zu wissen scheint und es oft mit einem Schulterzucken abgetan wird.

"Auschwitz? Das war doch das... sag nochmal..."


Gehört das Wissen um die wohl tiefsten Abgründe dessen, was das damalige NS-Regime während des zweiten Weltkrieges an Horror und Schrecken hervorgebracht hat, zur Allgemeinbildung?


Es liegt nicht an mir, das grossflächig zu beurteilen, doch bin ich der Ansicht, dass dies definitiv so ist. Ja! Gerade in unserer heutigen Zeit, in der es wieder Gang und Gäbe ist, Propagandamechanismen zu verfallen sowie Hass und Gewalt in jeglicher Form in der Welt zu verteilen, ist es meiner Meinung nach absolut nötig, dass wir uns vor Augen führen, wohin Fingerzeigen, das Verbreiten von Ideologien, das Anprangern und vor allem das verbissene Festhalten an völlig verblendeten Meinungen um der eigenen Bedeutungslosigkeit Willen führen können. Geführt haben. Führen?


Vielleicht bin ich ein Snob. Damit kann ich leben. Doch es erschreckt mich, macht mir Angst und Sorgen, wenn ich heutzutage Menschen begegne, egal ob im Internet oder im realen Leben, die nicht wissen, was es mit Auschwitz, dem Holocaust, dem zweiten Weltkrieg, Hitler, der "Judenfrage" und all' dem auf sich hat. Weder verlange noch erwarte ich ein Wissen, das dem eines Geschichtsprofessors nahekommt, doch die absolute Ignoranz, die einem gerade an diesem besonderen Tag in Hülle und Fülle auf allen Kanälen entgegenschlägt, ist für mich nicht zu verantworten.


Es gibt in meinen Augen keine Entschuldigung dafür, den systematischen Mord an über sechs Millionen Menschen zu ignorieren, weil man sich derzeit lieber damit auseinandersetzt, dass man es etwas unangenehm findet, beim Einkaufen ein Stück Stoff vor dem Gesicht zu tragen. Unsere Vergangenheit sollte uns lehren, Fehler nicht zu wiederholen und nicht dazu missbraucht werden, das eigene Fehlverhalten mit dem unserer Vorfahren zu rechtfertigen.


Wenn, wie es der Israelische Wissenschaftler Yuval Noah Harari so treffend formuliert, mit der Bändigung des Feuers der Erste Schritt in Richtung der Atombombe getan worden war, dann war mit der ersten Kritzelei an der Wand einer Quartärkänozoischen Höhle der sinnbildliche Grundstein für unsere moderne Kommunikation gelegt.

Schlägt man von hier einen Bogen, könnte man so weit gehen und behaupten, dass der Drang zur Zerstörung schon immer denjenigen zur Kommunikation in uns überragt hat, doch liegt es letzten Endes auch wieder auf der Hand, dass die grössten Werke der Annihilation in der jüngsten Geschichte meist mit einem geschriebenen Wort begonnen haben. Heilige Schriften wie der Koran und die Bibel führten zu religiösen Kriegen, ideologischen Verfolgungen, Hexenverbrennungen. Politische Coups, Flugblätter, die Wannsee-Konferenz.


Die Feder ist nicht mächtiger als das Schwert, doch sie schleift es besser als jeder Wetzstein.


Wir leben in aufwühlenden, Angst schürenden und verunsichernden Zeiten. Die Corona-Krise hat unsere gesamte Welt in einen Zustand gebracht, den sich viele von uns höchstens in schlechten Träumen vorstellen konnten. Oder... hat sie ihn erst zutage gebracht? Fakt ist, dass wir heute als Gesellschaft, als Bevölkerung der deutschsprachigen Länder, an einem Punkt sind, von dem die Wenigen, die damals dabei waren sagen: das ist nicht, wie es damals begann. Das ist schon auf dem halben Weg dorthin...


Ich will hier keine Impfpropaganda starten noch irgendjemanden an den Pranger stellen für seine oder ihre Weltansichten. Wir alle dürfen glauben und tun, was wir wollen - mit dem kleinen, aber bedeutenden Suffix: solange wir damit niemand anderem schaden. Das ist es, was unsere Freiheit ausmacht und auch, was man vielleicht von Herrn Kant noch lernen kann.


Wer also glauben will, dass eine Maske zu tragen ihm oder ihr schadet - das ist euer Recht. Wer glauben will, dass wir alle mit der Impfung gechipt und getrackt werden sollen - auch das ist euer gutes Recht und falls ihr das hier auf einem Telefon lest, könntet ihr einmal den Begriff "Ironie" über Google suchen. Wer glauben will, dass sich die Queen regelmässig junge Kinder in den Buckingham-Palast liefern lässt, um in ihrem Blut zu baden und dadurch jung zu bleiben - das ist ebenfalls euer Recht (und gemessen an der bunten Geschichte Transsylvaniens aller Lächerlichkeit zum Trotz noch immer nicht die am weitesten hergeholte Spinnerei, die derzeit im Netz kursiert).


Wozu ihr jedoch kein Recht habt ist, euer derzeitiges Unwohlsein in den Sozialen Medien mit "Zuständen wie im KZ" zu vergleichen. Ihr habt kein Recht dazu, "die Eliten" über ebendiese Kanäle aufzufordern, "nur noch" euer Haus mit Stacheldraht zu umzäunen um "wieder in 1940" zu sein. Ihr habt kein Recht dazu, an diesem Tag ein Selfie im Holocaust-Denkmal in Berlin zu machen und darunter den Hashtag #almostthere zu setzen.


(Zur Erklärung: Es reichten tatsächlich lediglich zwölf Minuten auf den sozialen Medien heute Morgen um diese drei Perlen zu finden. Wer und was und wie, das prangere ich hier nicht an - dazu habe ICH kein Recht).


Heute vor 76 Jahren lernte die Menschheit über das wohl brachialste Anschauungsbeispiel der erhaltenen Geschichte, welche Konsequenzen es haben kann, weg zu sehen, Ignoranz und Aggression ungestraft geschehen zu lassen und vor allem froh darüber zu sein, nicht selbst in der Schusslinie zu stehen.


Falls ihr nichts besseres zu tun habt an diesem 27. Januar empfehle ich euch, diesen Artikel zu lesen:



Lasst nicht zu, dass unsere Generation in dreissig, vierzig Jahren zurücksehen und sagen muss: damals hätten wir noch handeln können...


Wir können handeln. Indem wir für die sprechen, die keine Stimme haben - und nicht für die, die uns nie darum gebeten haben. Und vor allem: indem wir sehr viel ganz einfach NICHT unbesehen weiter teilen, liken oder posten. Das war selten einfacher als heute, oder?


In diesem Sinne wünsche ich euch allen nachträglich ein gutes, neues Jahr 2021. Auf dass es auch wirklich ein Gutes werden möge!


Herzlichst,


Fabian

129 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Camping

bottom of page