"Wie weiss ich, dass ich was wert bin?" - "Wenn du im Ziel bist, weisst du es!"
Eigentlich sind das ziemlich düstere Worte, auch wenn sie aus noch so einem positiven und motivierenden Kontext kommen. Wer den wunderbaren Film "Cool Runnings" noch nicht gesehen hat: nehmt ihn auf eure Liste.
Warm brauchen wir Ziele im Leben? Grundsätzlich würde ja nichts dagegen sprechen, sich einfach treiben zu lassen und zu sehen, was auf einen zukommt, oder?
Ich selbst habe für mich schon relativ früh bemerkt, dass ich erst wirklich aktiv und kreativ werde, wenn ich ein Ziel vor Augen habe. Das Gefühl, etwas erreicht zu haben, und zwar durch Konsequenz und Arbeit, eigenes Denken und Beharrlichkeit... das habe ich immer sehr genossen. Doch könnte mehr dahinter stecken?
In dem gerade genannten Film geht es, schnell zusammengefasst, darum, dass ein jungen Jamaikaner dafür trainiert, sein Land als Sprinter an den Olympischen Spielen zu vertreten. Als die Qualifikation dafür schief geht rappelt er sich sehr schnell auf und beschliesst, stattdessen mit zwei anderen Sprintern und seinem besten Freund, einem Seifenkisten-Piloten, eine Bob-Mannschaft zu gründen und damit an den Olympischen Winterspielen zu starten.
Natürlich stossen sie dabei auf einen Haufen Widerstand, sowohl aus den eigenen Reihen als auch von aussen, was mitunter zu grossen, inneren Konflikten führt. Bis zu dem Punkt, an dem sich der Protagonist Derice Bannock im Gespräch mit seinem Coach fragt, woran er denn erkennen könne, wann er etwas wert sei. Was sein Coach mit den eingangs zitierten Worten erwidert. Einmal mehr: schaut euch den Streifen an.
Wenn ich ehrlich bin, ging es mit mit meinem Sport irgendwie ähnlich. Ich hatte lange Zeit - als Teenager ist es in Ordnung, 4-5 Jahre derart zu bezeichnen - den Eindruck, nichts zu können, nichts wert zu sein und beständig alles zu vermasseln. Ich war nicht sonderlich gut in der Schule, wobei das relativ ist: Ich war enorm schlecht in Mathematik und allem, was mit Rechnen zu tun hatte. Der ganze Rest fiel mir leicht, doch wurde dieses eine Manko an gewissen Stellen dermassen hoch gewertet und mir wieder und wieder vorgehalten, dass ich begann, mich nur noch über mein Defizit im Umgang mit Zahlen zu definieren. Ich hatte wenige Freunde. Übersetzt heisst das: Ich hatte ein, zwei Freunde in meinem Alter, einige weitere die etwas älter waren und kam ansonsten mit kaum jemandem klar. Meine Interessen waren immer irgendwie diametral zu denen der Anderen. Sie fanden Autos toll, ich Segelschiffe. Sie hörten Elektromusik, ich fand die Beatles gut. Sie sahen fern, ich las Bücher. Ich war meistens der Kleinste, Schwächste und Unsicherste.
Und natürlich kamen auch die äusseren Umstände nicht gerade vereinfachend hinzu, denn was in der Schule entfacht wurde, fand zuhause in Gestalt meines Vaters jemanden, der es weiter schürte. Ich verbrachte einen grossen Teil meiner Teenagerjahre in der festen Überzeugung, nichts zu können, nichts wert zu sein und sowieso nichts zu erreichen im Leben.
Wiederholt man eine Platte oft genug, brennt sie sich ein, bis das Gehörte irgendwann einmal zu einer persönlichen, unumstösslichen Wahrheit wird.
Als ich das erste Mal in meinem Leben 100m am Stück im Aadorfer Hallenbad schwamm, veränderte sich mein Leben. Als ich das erste Mal, im gleichen Jahr, an einem Schulsporttag die zweitschnellste Zeit über 5000m lief - von der ganzen SCHULE - nahm ich das erste Mal etwas wahr, das ich so nicht kannte: das Gefühl, etwas zu können. Das Gefühl, zu etwas fähig zu sein.
Wundert es da, dass ich mich mit aller Energie in den Sport stürzte, zu lernen begann bis zum umfallen und schon in diesem ersten Jahr entschied, dass ich mit 18 meinen ersten Ironman-Triathlon machen würde?
Vielleicht hätte ich mich mit Hilfe einer Therapie von all meinen kleinen, sich summierenden Traumata und Unsicherheiten heilen sollen, um ein "normales" Leben führen zu können. Stattdessen ging ich immer weiter und...
Was ich vor allem in den letzten Jahren mehr und mehr merkte ist, dass wir Menschen nicht dafür gemacht sind, "normal" zu sein. Wir brauchen Gemeinschaft, Anerkennung und Bestätigung, doch brauchen wir die im Ernstfall, wenn wir etwas tun, das wir FÜR uns tun. Das wir für UNS tun. Am Ende unseres Lebens wird sich niemand an uns erinnern, weil wir Meister darin waren, Zahlen in einen Computer zu tippen und einen "anständigen" Job zu halten. Und wir werden kaum jemals bereuen, dass wir nicht mehr Zeit im Büro verbracht haben. Doch wir werden zurückblicken und uns wünschen, mehr für uns und unsere eigenen Ziele getan zu haben...
In diesem Sinne: setzt euch Ziele. Und dann tut etwas dafür, dass ihr sie erreicht. Tut das FÜR euch. Tut es für EUCH. Und wenn ihr Widerstand findet, lasst euch sagen: dann macht ihr etwas richtig!
Herzlich,
Fabian
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