...und damit wäre es von meiner Seite aus also hier, das Jahr 2022. Klar, es ist Oktober und irgendwie wehrt man sich noch gegen die Vorstellung von Lebkuchen, Last Christmas und Schnee, doch aus sportlicher Sicht hat die neue Saison für mich nun begonnen: ich habe das Training wieder aufgenommen.
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie das früher war. "Früher"... ich darf das unterdessen sagen. Ich habe 21 Rennsaisons hinter mir, zwei Dekaden zuvor ist nun mal "früher". Meistens hielt ich es so, dass ich Anfang September den letzten Wettkampf bestritt, meistens war das Locarno, und dann bis Ende Monat oder sogar bis Ende November mehr oder weniger nichts tat. Ich lief 2x pro Woche mit dem Tri Team Aadorf und schwamm danach ein wenig, doch das "richtige" Training... nun, zurückblickend war das vor allem ein Gemütszustand. Der erste Sonntag Morgen der neuen Saison eben. Aufstehen, oft im Nebel zum Bäcker gehen, danach ins Schwimmbad und anschliessend einen herrlichen, grauen und müden Nachmittag mit Ideen für das kommende Jahr verdatteln... das sind gute und schöne Erinnerungen.
Dieses Mal ist es Stress.
Doch, ich geniesse es durchaus und bin froh, bin ich wieder "dabei", doch dass sich die Zeiten geändert haben, lässt sich nicht von der Hand weisen. Früher machte ich "mein Ding". Ich verschwendete keine Sekunde damit, mich mit meiner Konkurrenz auseinander zu setzen, dafür waren die Wettkämpfe da. Ausserdem war ich eh der Grösste...
Heute kann ich dem nicht mehr ausweichen, was heisst, dass mir auch immer wieder deutlich vor Augen geführt wird, wie weit mein Weg noch ist und wie hart er zu gehen wird. Versteht mich nicht falsch, ich frage mich nicht, ob ich das überhaupt will. Ich WILL. Doch das Gefühl ist ein anderes. Früher war es... romantischer?
Ja, das könnte es sein. Wie eben beschrieben hatte es früher diese Teenagerhafte Steppenwolf-Romantik, die ich geniessen und zelebrieren konnte bis der Arzt kam. Nun, nicht wörtlich. Heute ist es ganz einfach realistischer. Und bedrohlicher. Jeder Schritt zählt. Jeder kleine Schmerz wird kritisch hinterfragt.
Letzte Nacht schlief ich schlecht, wachte auf, hatte viel zu heiss (ich war zuvor in der Sauna gewesen und noch immer ziemlich dehydriert... man wüsste es ja besser). Mein Hals begann zu kratzen und das schürte eine leichte Panik. Denn ich weiss seit langem: ich bin anfällig auf Stress und mein Hals ist meine Schwachstelle.
Nur stellt sich jetzt die Frage: habe ich mich erkältet? Oder mache ich mich selbst hysterisch mit den ganzen Gedanken, Zielen, Träumen, Wünschen, Ängsten und Emotionen überhaupt? Mache ich mich selber krank?
Ganz ehrlich denke ich, dass es Nr. 2 ist. Ich bin drauf und dran, mich selbst dermassen ins Bockshorn zu jagen und wahnsinnig zu machen, dass mein Körper schon mal pro Forma reagiert. Wäre ja auch einfach, oder? Dann gäbe einen Schuldigen, wenn es nicht klappt.
Nicht mit mir. Heute früh war ich auf dem Rad, am Nachmittag schwimmen. Ein guter, lockerer, erster Tag. Ich habe es weder übertrieben noch sonst irgendeinen Blödsinn angestellt. Und ich habe mich auf den Weg gemacht. Was mich belastet, mehr, als ich zugeben mag, ist, dass er ins Ungewisse führt. Doch genau dort gibt es die tollsten Dinge zu entdecken, oder?
Ich muss mich mit einer Tatsache auseinandersetzen, die mir nicht behagt: in Sachen Triathlon bin ich wohl oder übel erwachsen geworden. Ich habe in den letzten Jahren immer wieder junge Athleten gesehen und ein Stück weit begleitet, die mit diesem Druck der Realität nicht klar kamen. Die regelrecht daran kaputt gingen, den Status des Talents und Shooting Stars nicht mehr einfach zugestanden zu bekommen, sondern dafür arbeiten zu müssen. Die nicht akzeptieren konnten, dass die Welt sich nicht um sie dreht, sondern dass sie voller Leute ist, die gleich gut oder besser sind.
Been there, done that.
Heute weiss ich das alles und habe es auch verinnerlicht. Zeit, mein eigenes Konzept umzusetzen: in einer Welt, die aus High Performern zu bestehen scheint, wird man nicht durch Posen, eine grosse Klappe oder Instagram besser, noch nicht mal durch unbedingt durch hartes Training. Man wird besser, indem man Fehler vermeidet, nicht zu faul ist, auch die kleinsten Details zu beachten und mit einzubeziehen und indem man seine Arbeit erledigt. Täglich.
Nun denn: auf ins Ungewisse!
Herzlich,
Fabian
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