Grundsätzlich mag ich den Begriff "Träger" und die davon derivierenden Verben nicht wirklich. Meiner Ansicht nach werden sie in letzter Zeit zu oft verwendet um zum Ausdruck zu bringen, dass man mit einer Sache nicht einverstanden ist. #triggered - das sehe ich oft im Zusammenhang damit, dass sich jemand über die Massen über etwas aufregt, das sie oder ihn nichts angeht oder stellvertretend für jemanden, der nicht darum gebeten hat.
That being said... all dem zum Trotz beschreibt der Begriff "Triggern" doch etwas, das mit dem Betätigen des Abzuges einer Waffe zu vergleichen lässt: es ist der eine Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt, der eine Kiesel, der die Lawine auslöst (ich weiss, ich sollte mir mal neue Metaphern suchen). So gesehen ist das etwas, das wir alle auf die eine oder andere Art kennen. Manchmal "haut es uns die Sicherung raus".
Für mich wurde es zum Sinnbild eines Gefühls, das sich in mir ausbreitete, als ich tief, tief in meiner Depression steckte. Meinen Gemüts- oder auch nur Geisteszustand zu beschreiben, ist nicht leicht. Nicht, weil es mir aus emotionalen Gründen schwerfällt. Mir fehlen ganz einfach die richtigen Worte. Eine Depression ist ja letzten Endes nicht einfach "ein wenig schlechte Laune", auch wenn ich das oft gehört habe. "Ach, das kenne ich, ich bin manchmal auch schlecht drauf".
Nein, mit "schlecht drauf sein" hat das wenig zu tun, auch wenn schlechte Laune und Traurigkeit mitunter Symptome des Ganzen sind. Das ist es auch nicht, was ich meine. Stellt euch die ersten 15 Minuten von "Saving Private Ryan" in eurem Inneren vor, nur halt eben 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Dass jemand, der nicht in so einer Situation steckt, nicht nachvollziehen kann, wie es letzten Endes wirklich ist, verstehe ich voll und ganz. Solche Reaktionen sind am Ende nichts weiter als der Versuch, Mitgefühl zu zeigen und in diesem Sinne etwas Schönes.
Für mich wurde jedoch in meinen schlimmsten Zeiten etwas ganz Anderes zum Trigger, genauer gesagt eine Formulierung, die mir in der einen oder anderen Form immer wieder begegnete. Und zwar: "Du kannst jederzeit zu mir kommen."
Auch das war und ist vermutlich ohne Hintergedanken der Versuch, Verständnis und Mitgefühl zu zeigen. Was es in mir jedoch jeweils auslöst war, dass ich diesen Satz wie folgt verstand: "Tja, sucks to be you". Oder etwas deutlicher: "Behalte deine Probleme bitte für dich".
Wäre mir das einmal direkt so gesagt worden, ich hätte kaum die gleichen Probleme damit gehabt wie ich sie mit diesem, unter der Maske der Empathie verborgenem Desinteresse hatte und habe. Einmal mehr: ich möchte hier niemandem böse Absichten oder Ignoranz unterstellen, doch es war für mich bezeichnend, dass ich diesen Satz oft, zu oft von Menschen hörte, die sich umgekehrt mehrheitlich dann bei mir meldeten, wenn sie etwas von mir brauchten und das zwischen einer Litanei von Freundschaftsbekundungen quasi unter der Tür durchreichten. Nicht selten bestanden meine Hilfestellungen daraus, mehrere Kilometer weit zu fahren, für andere da zu sein und meine Zeit dafür hinzugeben.
Das ist grundsätzlich etwas, an dem ich ebenfalls festhalte: ich werde mir das nicht abgewöhnen. Auf gar keine Fall. Wenn ich für einen Menschen da sein kann, der mich braucht, dann bin ich es.
Was ich jedoch mittlerweile etwas besser zu dosieren gelernt habe ist, für wen ich wie viel Energie aufwende. Ich sage das ohne jegliche Verbitterung, doch wenn man versucht, mir Honig um den Mund zu schmieren um zu bekommen, was man will, führt das unterdessen dazu, dass ich auch einmal "nein" sage. Ganz einfach, weil ich selbst dieses "nein" wieder und wieder gehört habe, wenn auch eben nicht direkt, sondern in solche Sätze verpackt.
Es mag sein, dass ich zu viel in etwas interpretiere, das eigentlich gar nicht so gemeint ist oder war. Doch wenn ich am Telefon mit jemandem sprach und gefragt wurde, wie es mir geht und ich darauf antwortete: "Also... darf ich ehrlich sein? Ich kam heute Morgen kaum aus dem Bett und habe dann meine Autoschlüssel von mir selbst versteckt, damit ich nicht auf die Idee komme, gegen den nächsten Baum zu fahren..." und dann als Antwort kam: "Oh, das tut mir leid, du weisst, du kannst jederzeit zu mir kommen!", und das von einer Person, die mindestens dreissig Autominuten von mir entfernt war... da wird es, zumindest meiner Meinung nach, schwierig, das anders zu interpretieren als: "Ups. Sucks to be you, aber bitte behalte das bei dir".
Einmal mehr. Damit hätte und habe ich keine Probleme, denn ich kann sehr, sehr gut nachvollziehen dass es alles andere als einfach ist, mit jemandem in Kontakt zu sein, der oder die sich in einer derartigen Verfassung befindet. Das belastet, zieht herunter, lenkt ab, kostet Zeit und Energie. Ich nehme es niemandem übel, wenn man irgendwann sagt: das wird mir zu viel.
Womit ich allerdings gar nicht kann, ist Liebkindmacherei, weil man sich ja nicht die Möglichkeit verderben will, in Zukunft wieder umgekehrt um Hilfe zu fragen.
Die Moral von alldem?
Vielleicht: Wenn ihr jemanden in eurem Umfeld habt, der oder die durch eine Depression geht, sprecht mit ihnen. Seid ehrlich. Wenn ihr ihnen sagt, immer für sie da zu sein, dann SEID es auch. Seid bereit, mitten in der Nacht ins Auto zu hüpfen und zwei Stunden lang zu fahren um einen Menschen in einem Zustand zu sehen, den ihr euch nicht vorstellen könnt und es auch nicht wollt. Seid ihr das nicht, so sagt es. Seid ehrlich, wenn es euch zu viel ist oder ihr damit nicht umgehen könnt. Alles andere führt dazu, dass sich die betreffende Person noch einsamer, noch verlassener, noch hilfloser fühlt als sie es sowieso schon tun wird.
Ich habe den Bogen - vermutlich - irgendwie gekriegt. Andere kämpfen länger, und ein Kampf ist es. Einer, bei dem es alles andere als garantiert ist, dass man von der Rampe des metaphorischen Landebootes auch wirklich bis hinter den Bunker am Strand kommt.
In diesem Sinne,
Herzlich
Fabian
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