Würde man mich fragen, wo ich am liebsten auf dieser Welt leben würde, wäre meine Antwort eher unaufregend: da, wo ich seit über zwanzig Jahren lebe. Es gibt schöne andere Orte, doch dieses Gefühl, dort zu sein, wo man zumindest geographisch gesehen hingehört, das habe ich bisher nirgends so gehabt. Darüber habe ich schon das eine oder andere Mal geschrieben.
Dennoch sehe ich mich gerne auf dem Immobilienmarkt um. Weshalb? Nun... zum einen kann es ja immer sein, dass einen DER Ort direkt anspringt, DIE Wohnung, DAS Haus. Wer weiss, es sind schon seltsamere Dinge geschehen. Zum anderen ordne ich das als ein kleines "guilty Pleasure" meinerseits ein, denn ich kann mich endlos an den verschiedenen Inseraten amüsieren.
Das fängt schon bei den Bildern an. Ich habe da keine persönliche Erfahrung, doch ich könnte mir denken, dass wenn ich in der Situation wäre, einen Nachmieter für meine Wohnung zu finden, mir durchaus etwas daran gelegen wäre, diese im Inserat so darzustellen, dass man sie auch gerne besichtigen möchte. Vielleicht bin ich da auch seltsam, doch wenn ich verwackelte und schlecht belichtete Bilder durchscrolle, auf denen es so aussieht, als hätte man die letzten Folgen des RTL-Klassikers "Mitten im Leben" hier gedreht, dann sinkt meine Motivation schlagartig, mir dieses Bums überhaupt anzusehen.
Auch die Beschreibungen sind oft ein wenig... optimistisch? "Absolute Traumwohnung in perfekter Lage". Dunkle Räume, eine Hauptstrasse vor der Tür, Keramikplatten im Wohnzimmer. Wovon träumt ihr so?
Natürlich kann man sich da nun den Mund fusselig reden, was zu nichts führt. Ich sehe mir solche Dinge dennoch gerne an, denn wer weiss. Und es macht mir Spass.
Die Kehrseite der Medaille allerdings ebenso. Vor einiger Zeit habe ich mich, ebenfalls mehr aus Neugier, in einer Gruppe auf den Sozialen Medien angemeldet, die propagiert, dass hier "Alternatives Wohnen" gesucht, vermittelt und gefunden werden soll. Hier muss ich nun offen zugeben: das hat mir nicht geholfen, allfällige Vorurteile abzulegen. Vielmehr bin ich nach wenigen Minuten des Lesens zum Schluss gekommen, dass "Alternativ" offenbar bedeutet, sich von allem Irdischen zu lösen und diesen Prozess bei Seife zu beginnen. Ausserdem scheint es ein Synonym für "allergisch auf Arbeit" zu sein. Und irgendwie muss dort permanent "Gegenteilstag" herrschen, denn so viele auch "Toleranz und Miteinander" irgendwo in ihren Inseraten schreiben... mir ist in meinem Leben keine intolerantere, hasserfülltere Menschenmenge begegnet als diese hier. Was schade ist. Denn im Grunde ist die Idee, Wohnraum zu bezahlbaren Preisen zu vermitteln und ihn allenfalls miteinander zu teilen etwas, das mir sehr zusagt.
Doch die Inserate lesen sich eigentlich alle gleich: "Wir, das sind (Männlein, Weiblein, meistens dann entweder ein aus dem Urlaub importierter Hund, ein bei einem schamanischen Ritual empfangenes Kind (oder zwei) oder beides), suchen unser neues Zuhause. Er ist Weltenwandler und Allrounder (auf Deutsch: arbeitslos und ohne Ausbildung), sie Lebensberaterin und Energiecoach (ebenso). Wir wünschen uns eine Ort, an dem wir unabhängig und frei in der Natur sind, gerne aber doch maximal 5min vom nächsten Ortskern entfernt, das Haus darf gerne alt sein, muss aber mindestens 7,5 Zimmer haben sowie Garten, freilaufende Hühner, keinerlei Regeln und ja keine Nachbarn. Kosten darf es maximal 500.- warm oder unserer Hände Arbeit. Und das alles bitte gerne gestern."
Miteinander klingt für mich anders. Und dass gerade in der Schweiz solch abgeschiedener Wohnraum eher Mangelware ist, erst recht, wenn man sich trotz allem einen Anschluss an die Welt wünscht, dürfte schon allein aus geographischer Sicht selbsterklärend sein.
Wenn dann mal jemand etwas teilt, das irgendwo etwas wie "Hey, ich habe einen Wohnblock in Zürich geerbt, aber kein Interesse daran, gross damit zu wirtschaften, ich habe darum ausgerechnet, was die laufenden Kosten sind und kann drum passable Wohnungen für sehr geringe Preise mitten in der Stadt anbieten, Tram vor der Haustür und Kita um die Ecke", dann sind die Reaktionen eigentlich immer: "Was fällt dir ein, du mieser Kapitalist, das ist nicht alternativ, verpiss dich aus dieser Gruppe"...
Toleranz und Miteinander.
Wohin will ich mit all dem eigentlich?
Vielleicht hier: Ein Zuhause zu finden ist ein Segen, das ist mir absolut bewusst. Und dieses mit anderen, Gleichgesinnten teilen zu können, erst recht. Warum versuchen wir nur dauernd, uns so sehr von "allen Anderen" abzugrenzen? Wäre nicht gerade jetzt ein wirkliches Miteinander wünschenswert?
Ich habe darauf keine Antwort, nur meine Meinung. Sei's drum.
Herzlich,
Fabian
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