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The world is wide. Swim it. Ride it. Run it.

AutorenbildFabian Kremser

Resilienz

Das Wörterbuch sagt dazu: "psychische Widerstandskraft; Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen".

Okay. Cool. Und wozu das Ganze?


Ich bin eine absolute Memme. Zumindest wurde mir das schon mehrfach attestiert und ihr wisst, wie das ist: irgendwann glaubt man es. Gleichzeitig bin ich heute alt genug um zu sagen: na und?


Denn: ich weiss, dass ich solche Titulierungen nicht etwa erhielt, weil ich anfange zu weinen, wenn man mich mal etwas härter anfasst als nötig. (Oh, versteht mich nicht falsch, das kann ich absolut! Doch darum geht es hier nicht).

Als Memme wurde ich in der Vergangenheit zum Beispiel bezeichnet, wenn ich:


- Heimweh hatte

- Mich nicht prügeln wollte

- Nicht Fussballfan war

- Meinen Zug nicht verpassen wollte

- Ich wehrte, wenn ich mal wieder zur Zielscheibe auserkoren worden war

- Die Kelly Family nicht über den Klee lobte


Whoa. Halt. Moment. Kelly Family?


Ja, ich bin mal wieder in der Schulzeit gelandet, denn viele Dinge, die unseren Charakter nachhaltig formen, passieren nun mal dort. Als Kind unter Kindern. (Meine erste Freundin nannte mich eine Memme, weil ich lieber in einem olympischen Becken schwamm als in einem 25m-Pool, was aber, wie ich es unterdessen sehe, wohl mehr über sie aussagt als über mich).

Und ja: damals war die Kelly Family hoch im Kurs. Wie es dazu gekommen war, weiss heute wohl niemand mehr. Auch muss ich sagen, dass ich nie besonders etwas gegen die jodelnden Iren aus Deutschland hatte. Wie auch, ich habe selbst mit Irischer Volksmusik begonnen. Da es aber so ein Ding war, das alle toll fanden ausser der Kremser... nun ja.

Auch die anderen Dinge kamen regelmässig aufs Tablett. Und ohne das jetzt im Einzelnen genauer auszuführen: mit der Zeit wurde ich auch da ein wenig zu meiner Diagnose. Sprich, ich begann zu glauben, dass ich klein, schwach und zu nichts fähig war.


Heute frage ich mich manchmal, ob das der Anfang von allem war. Ob ich das alles nicht doch mit dem einen oder anderen kleinen Schaden überstanden habe. Denn wenn mich eines aus der Bahn wirft, auch heute noch und mittlerweile teils rein physisch, dann ist es diese Art von emotionalem Stress, den ich Jahrelang auf allen Kanälen konsumieren durfte.


Ich mag mich dunkel daran erinnern, dass ich fast ein ganzes Schuljahr verpasst habe, weil ich beständig krank war. Im Wochentakt ging das: morgens auf, zack, um. Asthma, Fieber, Schwächeanfälle... zwei Wochen weg vom Fenster. Wieder in die Schule, zwei Tage Schonfrist, dann die erste Attacke in der grossen Pause... und von vorne. Das wurde zuhause dann natürlich nicht besser, denn mein werter Herr Vater genoss seinerzeit noch eine Erziehung, die auf lauten Worten und Ohrfeigen basierte. Dass so nicht unbedingt die Grundlagen für sonderliches Verständnis bei psychischen Schwächen gelegt wurden, ist eigentlich nachvollziehbar. Somit ging es zuhause weiter: ich sei einfach zu faul um etwas zu tun und täusche drum eine Krankheit nach der anderen vor.


Mir ist absolut bewusst, dass ich hier nicht gerade die beste Werbung für Waldorf-Schulen mache, wenn ich frech behaupte, dass ich in der Grundschule fast ein ganzes Jahr fehlen konnte, ohne dass mich das gross zurückwarf... Da muss ich mich nun aber schützend vor diese Pädagogik stellen. Nicht alles, was ich an dieser Schule mitbekam, war schlecht. Und bei weitem nicht jede Waldorf- oder Rudolf-Steiner-Schule ist schlecht. Doch DIESE Schule, diejenige, in der ich meine Primarklassen verbrachte, und DIESER eine Klassenlehrer, ja, dieser nach Jute und Schurwolle müffelnde Jesus-Verschnitt, der noch in der fünften Klasse darauf bestand, sich vor dem Turnunterricht in der Mädchengarderobe umzuziehen... das WAR schlecht. Und ich wünsche keinem Kind auf der Welt, dass es auch nur etwas ähnliches mitmachen muss.


Nun könnte ich daran verzweifeln. Das alles als Grund dafür nehmen, dass ich noch heute immer wieder diese Angstgefühle habe, dass ich mir eine reinrassige Depression einfing, und, und, und. Könnte ich.


Will ich aber nicht. Denn unterm Strich denke ich heute, dass mir dieser ganze Mist damals, ganz im Sinne meiner gestrigen Litanei der Konstanz, das nötige Werkzeug mitgab, um mich in meinem Sport wieder zu finden. Was mir damals angetan wurde, legte den Grundstein für meine mentalen Fertigkeiten, auf einer Langdistanz während 226 Kilometern permanent fokussiert, bereit und präsent zu sein. Die Schmerzen zu ertragen, die Krisen zu überwältigen.


Natürlich klappt es nicht immer. Und ich kann mir vorstellen, dass ich dieses Thema noch einige Male durchkauen muss, bis ich damit abschliessen kann. So richtig abschliessen. Doch diese Zeit will ich mir nehmen, denn ich weiss: umgebracht hat's mich damals nicht. Also muss es zu was gut gewesen sein.


An dieser Stelle möchte ich für einmal das Wort an alle dort draussen richten, die in ihrer Jugend gemobbt, gepeinigt und geplagt wurden. Oder die jetzt gerade durch so etwas gehen. Sei es an der Schule, auf der Arbeit oder, (hier beliebige Entität einfühlen) bewahre, in den eigenen vier Wänden (Achtung, Kraftausdrücke im Anflug):


Es ist Scheisse. Was ihr erleben müsst ist von einer epischen, kolossalen Misere, die zu beschreiben ein wesentlich grösseres Vokabular an Schimpfwörtern benötigen würde, als es die Deutsche Sprache derzeit zu bieten hat. Und es gibt nichts, was es irgendwie besser macht. Alles was ich sagen kann ist: haltet durch! Und, auch wenn ihr euch so fühlt: ihr seid nicht allein! Und wenn DU in so einer Situation bist, das hier per Zufall liest und nun denkst: doch, du BIST allein: melde dich. Ich kenne dich nicht, du kennst mich nicht und ich bin weder Therapeut noch Psychiater. Aber: melde dich. Schreib' mir. Und sei es nur, dass du eine helfende Hand ergreifen kannst die dir hilft, durch die Kloake zu waten. Egal, was man dich glauben machen will: du bist es wert, dass man sich um dich kümmert und dir hilft!


Herzlich,

Fabian


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