Im Nebel ruhet noch die Welt, noch träumen Wald und Wiesen; bald siehst du, wenn der Schleier fällt, den blauen Himmel unverstellt, herbstkräftig die gedämpfte Welt in warmem Golde Fliessen.
Mörike. Der alte Anthroposophenliebling. Was hab' ich dieses Gedicht verabscheut in der Grundschule!
Nein, nicht, weil es mir nicht gefiel. Es stammt aus jener Generation Deutscher Dichter, die jene Bezeichnung durchaus noch verdient haben (nachdem ich mich hier gestern nicht unbedingt löblich über die heutige Lyrik geäussert habe, dachte ich, ich mach' mal ein paar Punkte gut). Es ist ein schönes Gedicht, das meiner Meinung nach die Morgenstimmung im Herbst oder frühen Winter sehr gut erfasst und beschreibt!
Aber. Wenn ihr wieder und wieder dazu gezwungen werdet, diese Reime auf die selbst verbrochene und als Komposition missverstandene Melodie aus der Feder eures Geissenbärtigen Jesus-Verschnitts von Grundschullehrer an der Steinerschule (Ja, right here. Schuldig.) wieder und wieder im Chor zu plärren, dann vergeht euch der Septembermorgen schneller, als diese Urzeitkrebse im Aquarium den Geist aufgeben. Eigentlich hab' ich auch nur einen guten Einstieg gesucht...
Denn ich mag Nebel. Was nicht heisst, dass mir die Suppe auch mal bis zum sprichwörtlichen Hals steht und ich die Schnauze voll habe von Dunkel und Grau, doch das ist irgendwie selbsterklärend, oder?
Aber abgesehen davon finde ich Nebel etwas tolles. Die Welt wird still, ruhig und zieht sich zurück. Bäume werden zu geisterhaften Schemen, die teils völlig unerwartet aus dem Grau auftauchen und ebenso still wieder verschwinden.
Es hat jedes Mal etwas heimeliges, wenn der Nebel unsere Welt fest im Griff hat. Man kann sich einreden, dass die Welt klein, weich und in Ordnung ist.
Im Nebel zu laufen hat ebenfalls seinen ganz eigenen Charme. Selten vergesse ich alles, was rund um mich herum passiert so nachhaltig, als wenn ich im Herbst durch dicken Nebel laufe. Die Zeit bleibt stehen, die Distanz und die Geschwindigkeit sind Nebensache. Viel reiner und purer kann das Laufen kaum sein!
Allerdings hatte ich auch schon Erlebnisse mit dem Nebel, die mich im Nachhinein ein wenig zittrig zurückliessen. Als ich beispielsweise während einer ausgedehnten SUP-Tour um die Insel Reichenau im Bodensee nicht realisierte, dass auf der anderen Seite der Insel inzwischen dicker Nebel aufgezogen war. Zwischen dem Durchstich am Ostende der Insel und Ermatingen auf der anderen Seite des Seerheins, von wo aus ich gerne ins Wasser gehe, liegen zwar nur ca. ein Kilometer offenes Wasser, doch wenn man gerade mal zehn Meter weit sieht...
DAS war gespenstisch auf einer völlig neuen Magnitude und zeigte mir zudem auch, dass unsere Sinne uns sowas von absolut ins Bockshorn jagen können, dass es nicht mehr lustig ist. Und dazu, dass ich nach wie vor zeitweise ein ziemlicher Idiot bin. Denn: ich paddelte tatsächlich ohne jede Idee in diese graue Suppe hinaus, etwa in die Richtung, in der ich das andere Ufer vermutete.
Es dauerte keine Minute und ich hatte komplett die Orientierung verloren. Rund um mich war undurchdringliches Grau, einige Geräusche und ganz wenig Bewegung. Sonst... nichts.
Es ging gut aus. Nachdem ich auf meiner vermeintlich geraden Linie einen schönen Kreis gefahren war, erinnerte ich mich daran, dass meine Uhr über einen Kompass verfügt. Fünf Minuten später sah ich die Lichter von Ermatingen durch den Nebel, konnte mich an ihnen orientieren und war kurz darauf am sicheren, anderen Ufer.
Das lehrte mich zwar nicht, bei Nebel nicht mehr aufs Wasser zu gehen, doch ich weiss einen guten, mechanischen Kompass seither noch einmal mehr zu schätzen. Und freue mich jedes Mal darüber, wenn die Sonne ihren Weg durch die Nebelschwaden findet.
Herzlich,
Fabian
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