Ich hatte nie das überwältigende Bedürfnis zu reisen. Klar, wir segelten früher, doch war das für mich nicht dieses "Reisen" mit dem Ziel, etwas anzusehen oder zu erleben. Es waren schlicht unsere Schulferien - Vater wollte segeln, also wurde gesegelt.
An sich hat sich daran auch heute nicht allzu viel geändert. Ich muss nicht durch die ganze Welt jetten, um irgendeine Bucketlist abzuhaken. Ich führe auch kein Leben, von dem ich immer wieder einmal fortlaufen muss. "Mal eine Auszeit"... nein, das ist nicht mein Ding. Habe ich nicht genau darüber schon einmal geschrieben? Dass mich das entsetzt, dass es für so viele offensichtlich völlig normal zu sein scheint, nur für das Wochenende und die Auszeit zu leben?
Dennoch macht sich in mir in letzter Zeit der Wunsch breit, woanders zu sein. Ich sehe mir Bilder von Orten an, die für mich vor allem eines bedeuten: Ruhe. Die kleine Insel im Lago di Ort zum Beispiel, auf der ich noch nie war, doch die in meiner Vorstellung ein wunderbarer Ort der Ruhe ist. Ein kleines Strassencafé in Florenz. Abendstimmung in Venedig, anrollende Wellen auf Lanzarote. Und ich merke: ich bin wohl doch müde. Nicht von meinem Leben, doch von all dem Müll, der derzeit auf der Welt vor sich geht.
Warum nur muss auf einmal jede und jeder den Freiheitskämpfer geben? Warum müssen sich alle so unendlich profilieren, auf sich aufmerksam machen, polarisieren? Woher kommt dieser Hass, diese verbale Gewalt, diese pure Aggression? Auf der einen Seite wird das "Gemeinsam" gepredigt, doch der Handrücken kommt ad Hoc: Aber nur, wenn du gleicher Meinung bist wie ich. Endlose, fruchtlose Diskussionen, Prinzipien, die wichtiger zu sein scheinen als alles Andere, Neid, Missgunst, Wut. Alle sind auf einmal berechtigt, alle anderen zu erziehen, zu ermahnen und zu geisseln.
Man schiebt es der Politik zu. Der "Diktatur", wie die hier sehr wohl noch immer herrschende Demokratie geschimpft wird. Dass das alles eigentlich nur Schall und Rauch ist, wird in dem Moment klar, in dem man sich auch nur eine Sekunde auf den Spass einlässt. Wisst ihr, woran man merkt, dass das Gegenüber keine Argumente hat? An den grossen Worten...
Und oh, wie gross sie sind. Als "Opfer eines faschistoiden Propagandasystems" wurde ich schon bezeichnet, weil ich eine andere Meinung vertrat als mein Gegenüber. Da bricht man sich schon den Kiefer beim Versuch der Aussprache... was damit eigentlich zum Ausdruck gebracht werden sollte war: ich habe keinerlei Begründung für meine Meinung, finde dich aber blöd weil du es anders siehst. Und erst recht, weil du eine Begründung HAST. Siehst du, wie der STAAT hier die Menschen entzweit? Siehst du es?
Auch auf die Gefahr hin, mich hier mal wieder unbeliebt zu machen: Leute, der Staat tut gar nichts. Okay, die Regierung weist sich derzeit nicht gerade durch die allergrösste Weitsicht aus, auch die allgemeine Kompetenz könnte man ein wenig in Frage stellen. Man könnte sogar so weit gehen und sagen: wenn das das Beste ist, was die Obersten des Landes zu bieten haben, sieht es nicht allzu rosig aus. Doch wohin führt das? Genau. Nirgendwo hin.
Man kann über die Regierung sagen, was man will, doch eines hat sie bisher noch nicht getan: mich gegen irgendjemanden aufgehetzt. Weder kam ein Einschreiben mit der Aufforderung, ab sofort alle ungeimpften als Schwurbler und verantwortungslose Idioten zu bezeichnen, noch rief mich ein Beamter an um mich in die Pflicht zu nehmen, alle geimpften als Schafe, Lemminge und gutgläubige Deppen zu betiteln.
Meine Lieben: MITEINANDER heisst in meinen Augen und Ohren nun mal eben wirklich MITeinander. Es ist einfach, alles auf die Regierung zu schieben, aber mal ganz im Ernst: der Keil kommt nicht von dort. Der kommt von euren Meinungen, von eurer Angst, von eurem absurden Glauben, das Recht auf die einzig Richtige Sicht der Dinge zu haben.
Ich bin es müde. Ich mache nicht mehr mit. Ich habe absolut kein Interesse daran, Panik zu schieben. Ich will mir keine Zahlen ansehen, mir nicht sagen lassen, dass ich doch "nur mal nachdenken" solle und was sonst noch alles auf dem Tablett ist. Tut, was ihr wollt, es spielt für mich keine Rolle. Ich werde weiterhin nach dem Prinzip durch die Welt gehen, mit dem ich schon seit Jahren gut fahre: ich behandle erst mal alle so, wie ich selber gerne behandelt werden will. Ja, ALLE. Und wem das nicht passt...
Tja.
Herzlich,
Fabian
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