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The world is wide. Swim it. Ride it. Run it.

AutorenbildFabian Kremser

Kinderkram

Ich bin in einem Alter angekommen, in dem es normal ist, dass andere, gleichaltrige oder sogar jüngere Menschen in meinem Umfeld nach und nach heiraten, sich auch mal wieder scheiden lassen und Kinder in die Welt setzen.

Das ist der Lauf der Dinge, so scheint es, und alles in allem ist das ja auch was schönes. Klar, man könnte sich darüber auslassen, was für eine Zukunft wir den nachfolgenden Generationen noch geben können, in welchem Zustand wir ihnen den Planeten hinterlassen und so weiter, doch soll es darum nicht gehen. Auch nicht, dass ich schon einige Male Sätze wie "ja, die sollen es mal besser machen als wir" gehört habe... das hat so einen leichten Beigeschmack von "ich gehe irgendwo zu Besuch, verwüste dort die Hütte und lasse die heimkehrenden Gastgeber den Dreck beseitigen, ist ja schliesslich ihre Bude".


Das wäre düster, zynisch und würde nur zu Konflikten führen. Konzentrieren wir uns also lieber auf das Wesentliche. Dinge wie Erziehung und so, denn da fängt's an.


Egal, in welchem Umfeld diese Kinder nun aufwachsen und auch die Eltern sich bewegen, eines haben sie gemeinsam: die Kindermusik, die mehr oder weniger pausenlos aus allen möglichen Geräten dudelt. Darüber wird auch gerne mal lamentiert: "nur noch dieses Zeug, und dann läuft's dir auch noch nach!"


Das stimmt. Einige der stupidesten Kinderlieder haben ein besorgniserregendes Ohrwurmpotential. Man denke da nur an Evergreens und die Zeit überdauernde Megahits wie "Schnappi, das kleine Krokodil" und "Baby Hai". Klassiker eben.


Auf meine Frage, warum man seinen Kindern nun aber pausenlos solche auditiven Foltermassnahmen zuteil werden lässt, die einen selbst beinahe um den Verstand bringen, bekomme ich jedoch keine Antwort. Oder nur: "naja, die mögen das halt".


Tun sie das? Ich wäre mir da nicht so sicher.


Eines kann man nämlich über das durchschnittliche Kind im Alter von 0 bis 1,5 Jahren relativ pauschal sagen: ihre Fähigkeit, sich artikuliert mitzuteilen ist beschränkt. Und nur, weil sie jauchzen und glucksen muss das noch lange nicht heissen, dass sie das als Reaktion auf die generischen Klänge von "Aramsamsam" und "Alle meine Entchen" tun. Auch dürfte es kaum an den zwar anspruchsvollen, jedoch eingängigen Texten liegen: "Drei Chinesen mit dem Kontrabass sassen auf der Strasse und erzählten sich was"... das erschüttert zwar die Seele, begeistert am Ende jedoch nur mässig.


Könnte es an etwas anderem liegen?


Ich glaube, ich hab' den Grund dafür entdeckt. Ich glaube nämlich, dass die Kindermusik gar nicht das Problem ist, sondern vielmehr die Eltern. Was mir da nämlich auffällt ist, dass diese in dem Augenblick, in dem sie mit einem kleinen Kind zu tun haben und es adressieren, in einen Ton verfallen, den man mitunter auch bei Grenzdebilen und kleinen Kätzchen anwendet. "Hei da hattu aba gut gemacht, papa is ganz doll stolz auf dich!"


Während es unumstösslich schön, gut und wichtig ist, dass Papa stolz auf sein Kind ist und er diesem das auch mitteilt, so wage ich die heikle Theorie in den Raum zu stellen, dass in dieser frühen, von vollen Windeln anstelle Kant'scher Thesen nun mal deutlich stärker geprägten Jugend eines Kindes die Kolportierung besagter Emotionen eher sekundärer Natur sind. Auf Deutsch: dem Kind ist es letzten Endes latte, was der geneigte Erwachsene da von sich gibt, solange es sich geborgen, verstanden und umsorgt fühlt. Ich kann mich irren und ich ändere jederzeit gerne meine Meinung. Doch bis ich eines Besseren belehrt werde, behaupte ich auch Folgendes:


Das mit den Kinderliedern, das tut ihr euch selber an. Ich bin bereit, eine relativ grosse Summe an Monopoly-Scheinen zu wetten und behaupte, dass sich die Sprösslinge haargenau gleich für Kapellen wie Manowar, AC/DC oder Iron Maiden begeistern würden, bekämen sie die entsprechende Mucke nur mit denen für sie gewohnten Mitteln verabreicht. Würden wir Erwachsenen beispielsweise mit einem ähnlich dümmlichen Tonfall unseren Kindern schöne Sätze wie "Glory and fame, blood is our name, souls full of thunder, hearts of steel" vermitteln... es herrschte eine andere Stimmung in den Kinderzimmern und auf den Spielplätzen dieser Welt. Wir müssten uns nicht fragen, ob man seiner Rolle als Eltern überhaupt gerecht werden kann, wenn man seinen Kindern nicht beibringt, wie man einen Schildwall formt, es wäre wieder selbstverständlich. Und als angenehmer Nebeneffekt entstände daraus vielleicht eine Generation, in der es nicht ein tatsächlicher Gegenstand von Debatten wäre, ob Mathematik einen rassistischen Kern habe und die empört ist ob der Tatsache, dass man auf der Basis agiert, "nur" zwei Geschlechter zu kennen.


Und wäre das nicht schön?


Herzlich,

Fabian


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