Ja, das war alles andere als fröhlich gestern und sonderlich positiv war es auch nicht. Was soll ich sagen: manchmal fällt es schwer, den irrlichternden Geist dahingehend zu beeinflussen, dass er auch in schlechten Momenten das Positive sieht.
Es ist schon so, dass wir in unserer Gesellschaft nicht unbedingt die Tendenz haben, uns gegenseitig zu ermutigen, zu bekräftigen oder zu unterstützen. Ein Beispiel?
Als ich vor unterdessen 16 Jahren die unglaubliche Chance erhielt, meine grösste Leidenschaft, den Triathlon, zu meinem Beruf zu machen und eine Profikarriere anzusteuern, erzählte ich dies natürlich mit leuchtenden Augen und voller Begeisterung den Menschen, mit denen ich diese Leidenschaft vermeintlich teilte: meinen Kameraden im Triathlon Team Aadorf. Und ja, ich hatte mir da ein klein wenig Unterstützung erhofft, sei es nur auf moralischer Ebene. Die erste Reaktion stattdessen war: "Du solltest lieber mal eine gescheite Ausbildung machen anstatt so einen Blödsinn".
Das war der erste von vielen Schlägen ins Gesicht.
Nicht lange und ich kehrte der gesamten Truppe den Rücken zu, da es mir ganz einfach nicht gut tat, mich wieder und wieder damit konfrontiert zu sehen, dass ich während meinem Training permanent dazu aufgefordert wurde, einen anderen Lebensweg einzuschlagen als den, für den ich mich gerade entschieden habe. "Das wirst du mal noch bitter bereuen".
Ratet mal, was man mir auch prophezeit hat, als ich mir meine ersten Tätowierungen stechen liess. "Das wirst du mal noch bitter bereuen. Ich verspreche es dir!".
Bisher ist dieser Moment nicht eingetreten und ich habe gute Hoffnungen, dass es auch nicht passieren wird. Ich stehe sowohl hinter meinem Entscheid, mich von der Aussicht auf eine akademische Laufbahn abgewendet zu haben als auch hinter jenem, mir mit einer Nadel keine unbeträchtlichen Mengen an Tinte in meine Haut stechen zu lassen.
"Das ist nur eine Phase". "Du wirst schon noch vernünftig". "In zehn Jahren wirst du an mich zurückdenken, wenn auch du endlich einen "richtigen" Job hast!". "Beim ersten Vorstellungsgespräch wirst du dir wünschen, nie ein Tattoostudio betreten zu haben!".
Die Irrwege der menschlichen Psyche...
Damals zog mich das herunter. Heute hallt es noch nach und löst in mir zwischendurch richtig heftige Schübe von Selbstzweifeln und fast schon Panik aus. Nicht, dass sie recht behalten hätten, es ist mehr dieser Zweifel an dem Mensch, an der Gesellschaft als Solches. Warum massten sich damals Leute, die mich zweimal die Woche für ein paar Stunden während des Sports sahen und sonst absolut keinen Einfluss auf mein Leben hatten und haben an zu behaupten, dass sie wüssten, was für eine Zukunft ich zu erwarten hätte?
Heute bin ich so alt wie viele von ihnen damals. Und ja, ich kämpfe. Jedoch nicht um meine materielle Existenz, sondern um meine mentale Gesundheit. Doch die hängt nicht damit zusammen, dass ich offensichtlich falsch abgebogen wäre. Ich bereue weder meinen Versuch, mich als Profi zu etablieren (sonst wäre ich kaum ein zweites Mal damit beschäftigt) noch dass ich mir das eine oder andere Tattoo habe stechen lassen.
Doch ich habe daraus gelernt und setze mich unterdessen aktiv dafür ein, dass anderen diese Gefühle erspart bleiben. Und zwar durch rücksichtslose Ermutigung. Durch haltlosen Glauben an die Träume anderer. Durch die hartnäckige Überzeugung, dass jede und jeder seines eigenen Glückes Schmied ist und dies auch verdient hat.
Ob ich damit etwas in der Welt verändere?
Das wird sich zeigen. Derzeit hilft es mir, besser zu schlafen.
Herzlich,
Fabian
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