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The world is wide. Swim it. Ride it. Run it.

  • AutorenbildFabian Kremser

Irrationales

Vor kurzem wurde ich gefragt, ob es in meinem Beruf etwas gibt, das mich auch noch nach 12 Jahren immer wieder vor Rätsel stellt. Das gibt es tatsächlich und in einem Wort ausgedrückt würde ich es "Irratonales" nennen.

Wozu ist Coaching, ein Coach eigentlich gut?


Wenn ich zurückblicke und revue passieren lasse, wie mein Coaching teils offensichtlich aufgenommen wurde, so könnte man meinen, dass es meine Aufgabe als Coach ist, in erster Linie einen Trainingsplan zu schreiben, der die Athletin oder den Athleten an sein Ziel bringt. Und ja! Das ist tatsächlich ein Teil meiner Arbeit. Doch es ist weder das Zentrum davon noch das, an dem es letzten Endes Erfolg bringt oder scheitert.


Sprechen wir von Irrationalität, so kann ich mir auch nach 12 Jahren auf diesem Beruf eines deutlich NICHT erklären: das Bedürfnis einiger Athleten (hier ist die männliche Form bewusst gewählt - ich hatte dieses Problem nicht nie mit Athletinnen), Trainingspläne entweder zu ignorieren, selbstständig umzustellen, zu "optimieren" oder aber die Angaben darin schlicht nicht umzusetzen.


Im Zweifel für den Angeklagten: Natürlich ist es nicht so, dass das Erfüllen eines Trainingsplanes das Einzige ist, was einen vor dem Übertraining bewahrt oder aber zum Erfolg bringt. Ich bin weder ein Schleifer noch ein Trainer, der wie ein Pedant hinter seinen Schäfchen her ist. Ausser sie wollen es so. Was ich stattdessen tue ist, über die Kommunikation zu versuchen, eine Lernkurve zu erzielen. Dabei geht es in der Regel immer wieder um die gleichen Themen.


Eines davon ist die relative Eintönigkeit des Ausdauersports. Das ist etwas, an dem viele tatsächlich irgendwann einmal scheitern: Trainings wiederholen sich und die effizientesten Methoden, tatsächlich Erfolge zu sehen und zu spüren ist, wieder und wieder und wieder das Gleiche zu tun. Und darin gleichzeitig eben doch immer wieder Neues zu machen. Wie kann das aufgehen?


Nehmen wir das Beispiel Laufen: Hier gibt es eine begrenzte Anzahl an Möglichkeiten, mit denen man diese Disziplin trainieren kann. Man kann Intervalle laufen, Dauerläufe machen, regenerativ joggen. Natürlich gibt es für alles unterschiedliche Methoden, ein Intervall ist nicht immer ein Intervall und ein Dauerlauf nicht immer ein Dauerlauf. Meine Aufgabe ist es, hier anhand der physischen Daten, die man ideal in einer Diagnostik ermittelt hat, die RICHTIGEN Intervalle zu setzen, die richtige Menge, die richtige Dauer, die richtige Kombination. Werden sie umgesetzt, kann sich der Körper weiterentwickeln und tut er das, wird auch ein zweiter Block mit den exakt gleichen Einheiten, sollte das notwendig sein, am Ende bereits etwas anderes auf dem Papier zeigen als der erste.


Die Aufgabe meiner Athleten wäre es hier, diese Vorgaben so genau es ihnen möglich ist umzusetzen. Und hier kommt die Irrationalität ins Spiel.


Es ist mir schleierhaft, wie sich Athleten standepede weigern können, beispielsweise einen Lauf nach Herzfrequenz zu steuern. Nein, mache ich nicht, ist alles Quatsch. Begründet wird das dann gerne mit dem Verweis auf irgend eine Entität, die "das übrigens auch blöd findet". Oder aber man nimmt daran Anstoss, dass das Warm Up immer das Gleiche ist. Frage in die Runde: wie viele verschiedene Möglichkeiten gibt es, sich warm zu laufen? Und noch weiter: falls da nur steht "2 km einlaufen bei Herzfrequenz X bis Y" - ist es dann undenkbar, in diesen 2000m noch ein paar Sprünge, Skips, Technikübungen einzustreuen? "Davon hast du aber nichts gesagt". - Nein, nicht jedes Mal spezifisch, aber ganz sicher mehr als einmal im Allgemeinen.


Das ist für mich irrational. Dass man auf der einen Seite fordert, das Gehirn abstellen zu können und sich drauf verlassen will, dass jede Sekunde aufs Genauste optimal geplant ist, auf der anderen Seite aber ein Wunschkonzert fordert. Nicht selten erinnert dieses Verhalten an Touristen: sie fahren möglichst weit weg von zuhause, um sich dann dort zu beschweren, dass nichts wie gewohnt ist...


Was die Beweggründe dahinter sind, habe ich bis heute nicht begriffen. Vielleicht ist es das Ego, vielleicht der Wunsch, die Kontrolle zu behalten. Vielleicht geht es aber auch einfach darum, dem Coach zu zeigen, dass man es eben selbst besser weiss. Doch ob das am Ende das Geld wert ist?


Ich möchte euch etwas mitgeben: wenn ihr euch auf einen Coach einlasst, könnt ihr in der Regel davon ausgehen, dass er oder sie alles in ihrer Macht stehende tun, um euch zu euren Zielen zu bringen. Wenn ihr ein Training als Angriff auf eure Persönlichkeit seht und es in den falschen Hals bekommt, wenn man euch dazu anhält, eure Herzfrequenz im Auge zu behalten... nun, dann habt ihr im Leistungssport schlicht nichts verloren, denn euer Ego wird dort mit noch ganz anderen Attacken zu kämpfen haben. Springt über euren Schatten, lasst euch auf die neuen Inputs ein, auch wenn sie die alten sind und vergesst nicht: es ist selten eine gute Idee, sich auf ein Machtspiel mit eurem Coach einzulassen. Der einzige, der dabei verlieren kann, seid ihr.


Herzlich,


Fabian


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