Wo kommt man hin, wenn man zu der vermeintlichen Einsicht gelangt, dass es die ganze Welt auf einen abgesehen hat? An keinen guten Ort. Tatsächlich kommt man in Gefilde, denen sich Dante mit Vorlieben gewidmet hätte.

Gerät man auf dem Weg zur Veränderung in ein Hamsterrad der schlechten Gefühle, kommt man irgendwann an den Punkt, an dem man sich mit massiven Schuldgefühlen auseinander setzen muss. Die sind eigentlich nie gerechtfertigt, da sie etwas betreffen, das ja weder existiert noch in nächster Nähe ist, doch dadurch wieder sie nicht weniger schwer.
Egal, wie viel Zeit man sich geben wollte, wie rational man seine Ziele in Angriff nahm, irgendwann wird man auf die Idee kommen, noch nicht weit genug zu sein. Natürlich hilft es nicht, wenn man sich tatsächlich hat hängen lassen. Wenn man dann noch die beiden Schritte davor durchlaufen hat und zum einen immer eine gute Erklärung für die Inaktivität hatte und zum anderen die Reine Erwähnung dieses Sachverhalts nur auf sich selbst bezog, kann das Ganz ganz schön überwältigend werden.
Dies führt zu einem Verhalten, das einem Bussgang gleich kommt: man leidet darunter, dass man vermeintlichen Verrat an sich selbst begeht und auferlegt sich eine Reihe von Bussen und Bestrafungen, angefangen bei einem Aufladen von unendlich vielen Aufgaben, die man für andere erledigen möchte (meist ohne darum gebeten worden zu sein) bis hin zum Selbstverbot, Glück zu empfinden.
Diese Phase ist immer sehr kritisch, denn sie kann dazu führen, dass man sich - oft auch ohne sich dessen wirklich präsent und bewusst zu sein - selbst zu sabotieren beginnt. Ungesundes Essen oder Alkohol im Überfluss sind da noch die harmloseren Dinge. Es kann so weit kommen, dass man beginnt, zwischenmenschliche Beziehungen zu zerstören, indem man Menschen, die einem nahestehen, immer weiter von sich weg schiebt, sich komplett distanziert und abkapselt. Da das alles in der besten Absicht für alle anderen passiert, trifft es doppelt und dreimal so hart, wenn sich die Betroffenen dann tatsächlich abwenden. Man hat es doch nur gut gemeint, kann nichts dafür - und sieht sich gleichzeitig bestätigt: siehst du, du hast es eben WIRKLICH nicht verdient, glücklich zu sein, freunde zu haben, geliebt zu werden... und so weiter.
Wie kommt man aus so etwas heraus?
Je nach dem, wie tief jemand in diesen Schemata drin ist, muss ich ganz ehrlich sagen, dass ich als Coach nur bedingt helfen kann. Ich bin kein Psychologe oder Psychiater, die in einem solchen Fall eher in der Lage wären, aktiv zu helfen.
Doch manchmal geht es. Ich versuche es immer damit, den Leuten kleine, aber sehr greifbare (und vor allem unwiderlegbare) Erfolgserlebnisse zu ermöglichen. Diese kleine, aber wiederkehrende Bestätigung und das Gefühl, dass man sich entgegen aller inneren Gefühle nach wie vorwärts bewegt, können bereits den metaphorischen Schalter umlegen und dabei helfen, dass man lernt, anders zu denken.
Denn am Ende läuft es auf das hinaus: wir werden zu dem, was wir denken. Wenn wir uns also zu einem Büsser machen, werden wir das irgendwann und wir werden wieder und wieder Mittel und Wege finden, uns zum einen selbst zu bestrafen und uns dabei gleichzeitig zu bestätigen.
Manchmal hilft es auch, einfach einen anderen Blickwinkel einzunehmen: irgendwann ist jede Strafe abgesessen. Wie lange, denkst du, hast du verdient? Ein Enddatum zu setzen kann hier bereits helfen, die Perspektive zu wechseln.
Falls ihr dieses Muster kennt, vielleicht selbst das eine oder andere Mal darin verwickelt wart oder seid: versucht das einmal. Fragt euch, wofür ihr euch gerade bestraft. Gebt dem ein Gesicht. Und wenn ihr es habt, legt die Strafe fest. Sinnbildlich, versteht sich. Setzt einen Zeitraum dafür, wie lange ihr euch schuldig fühlen sollt. SOLLT, nicht wollt. Ihr nehmt hier die Rolle der Exekutive ein. Ein Beispiel:
"Oh, ich habe diese Woche schon WIEDER nicht trainiert und nur Junkfood gegessen! Schon wieder zwei Tage verschwendet! Ich bin so SCHLECHT! Ich schaffe das NIE!"
Okay. Tatbestand: Zwei Tage lang Junkfood (also 4 Mahlzeiten?) und nicht trainiert. Wie lange muss man sich dafür selbst bestrafen? Drei Tage? Vier? Eine Woche? Gut, dann: ab heute musst du dich eine ganze Woche lange jeden Tag schlecht fühlen wegen diesen beiden Tagen!
Das ist lächerlich. Und das können auch die meisten sehr schnell erkennen. Es ist schlicht nicht verhältnismässig, sich aktiv wegen etwas zu bestrafen, das man versäumt hat, ohne dass jemals eine Verbindlichkeit bestand.
Es klappt selten beim ersten Versuch. Aber es ist eine gute Übung. Darum als kleiner Rat mit auf den Weg:
Seid nicht zu hart mit euch selbst. Egal, was euer "innerer Schweinehund" sagt: ihr habt es verdient, glücklich und zufrieden zu sein!
Herzlich,
Fabian
161/365
Comments