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The world is wide. Swim it. Ride it. Run it.

AutorenbildFabian Kremser

Genug

Kann ich genug? Bin ich genug? Zweifel dieser Art können viel in uns auslösen. Und nicht immer ist es gut.

Man sagt: wer Wind sät, wird Sturm ernten. Was damit wohl gemeint ist: Was klein beginnt, kann gross werden, in diesem Kontext allerdings nicht im Guten. Auch bezieht sich das auf Dinge, die man selbst tut. Was aber, wenn man ein Saatkorn eingepflanzt bekommt, um das man nicht gebeten hat?


Die Idee, niemals gut genug zu sein verfolgt mich schon, seit ich denken kann. Da war zum einen meine Schulzeit: jeden Tag wurde mir dort beigebracht, dass ich anders, weniger wert und sowieso komisch sei. Von den Lehrern, von den Mitschülern. Und ja, auch zuhause. Das wurde später noch weiter kultiviert: irgendwann stellte ich fest, dass viele meiner "Freunde" nur dann Zeit mit mir verbrachten, wenn sie sich einen direkten Gewinn davon erhofften. "Das machen wir bald wieder" lernte ich mit "ich melde mich, wenn ich wieder was brauche" zu übersetzen.

Auch im Gymnasium war es nicht anders: ich stritt mich mit der Schulleitung bis auf die rechtliche Ebene, nur, um von einer giftspritzenden, männerhassenden Sportlehrerin weg zu kommen, die mich auf dem Kieker hatte, "weil ich ein Mann" war. Dass der Rektor höchst persönlich dann ebenfalls in die gleiche Fanfare stiess, half nicht.

Mein erster und bisher einziger Coach merkte irgendwann, dass ich ihm wohl mehr einbringen würde, wenn ich sein Coachingbusiness für ihn führte als wenn ich meine sportlichen Ziele verfolgte, was ihn dazu veranlasste, mir einzuflüstern, dass ich diese sowieso kaum erreichen könne. Als ich dann irgendwann in meinem Trainingsplan eine einfache Kopie der Woche meines Mitarbeiters fand, eine Woche vor meinem wichtigsten Rennen und komplett aus der Planung gerissen, war die Message überdeutlich: Du bist mir nicht mal die Mühe wert, mein Desinteresse zu vertuschen.

Nach meinem Fortgang in die Selbstständigkeit blieb die Fassade denn auch nur sehr kurz erhalten: die "Freundschaft", die man pflegen wollte, endete in dem Augenblick, in dem ich nicht einverstanden war, noch weiterhin ohne Bezahlung für ihn zu arbeiten. Eine Aussprache gab es nie: als ich mich wehrte, flatterte pünktlich zum 24. Dezember ein Brief seines Anwaltes ins Haus, in dem mir sehr unverhohlen gedroht wurde. Als ich darauf reagierte und an "offizieller" Stelle einmal sämtliche Missstände aufzählte, war es das Ende jeglicher Kommunikation. Schade, doch auch wieder lehrreich.


Wieder und wieder und wieder und wieder kam ich in meinem Leben in Situationen, in denen man mir entweder durch die Blume oder auch sehr direkt zu verstehen gab: sei wie du willst, nur nicht SO. Sei wie ICH will. Sei so, dass du AKZEPTABEL bist. Schule, privates Umfeld, Arbeit, sogar meine erste Freundin: man sah in mir wohl ein gewisses Potential, wollte aber, dass ich "anders" war. Wenn ich dies verweigerte und meinen Weg weiter ging, wurden schnell alle Verbindungen gekappt, mal schleichend, mal schnell, mal mit roher, wenn auch in erster Linie psychischer Gewalt.


So weit, so gut - man soll ja mit der Vergangenheit abschliessen. Nur was, wenn es einen nicht los lässt? Wenn man nie die Gelegenheit hatte, all diese Missstände an- und auszusprechen? Zu schreien, zu toben, zu weinen?


Noch heute ist es so, dass ich mich bei jedem Schritt, den ich tue frage: ist es gut genug? Bin ICH gut genug? In meiner Arbeit als Coach hat mich das bis zu einem gewissen Punkt weiter gebracht, da es mich anspornte, mich immer und immer wieder zu verbessern.


Vor etwas mehr als einer Woche habe ich mein neues Labor eingeweiht und kann dort nun endlich wieder in der Leistungsdiagnostik tätig werden - etwas, das mir massiv gefehlt hat und von dem ich lange geträumt habe. Und während ich hier jubilieren und es noch immer kaum fassen kann, ist schon wieder diese kleine Stimme da: bin ich gut genug? Weiss ich genug? Kann ich mich professionell genug verhalten? Habe ich genug Routine?


Es macht mich beinahe wahnsinnig. Ich will einen guten Service leisten und merke, dass ich mir schon wieder im Weg stehe, bevor ich überhaupt mit der Arbeit wirklich begonnen habe. Zeit, das zu ändern, ode? In diesem Sinne: ich gehe jetzt laufen. Das kann ich.


Herzlich,

Fabian


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