Vor einiger Zeit wurde mir ziemlich drastisch bewusst, dass ich unterdessen seit über 20 Jahren in dem wunderbaren Sport Triathlon aktiv bin. Ich bin quasi ein Dinosaurier in meiner Zunft und kann auf eine ziemlich ereignis- und lehrreiche Zeit zurückblicken: Ob als Athlet, als junger Profi mit Küken-Sonderstatus oder als Coach - meine Liste von "been there, done that" ist unterdessen ziemlich umfangreich geworden. Ebenso wie meine Lernkurve.
Nun, mit 35 Jahren, bin ich unterwegs zu was ich "Profisport 2.0" nenne. Vor etwa zwei Jahren wurde mir bewusst, dass ich schlicht noch nicht fertig war mit diesem Thema und dass ich ihm nochmals einen zweiten Anlauf geben wollte. Da ich nun beide Seiten dieses Unterfangens kenne, sowohl die des Athleten als auch die des Trainers, bin ich mir absolut bewusst dass ich mich dafür entschieden habe einen Weg zu gehen, der in erster Linie aus Arbeit besteht. Aus viel Arbeit. Und aus harter Arbeit.
Doch: das ist meine Sache und damit muss ich mich auseinander setzen. Abseits davon möchte ich hier einmal über den mysteriösen Status eines Profiathleten sprechen. Wie wird man das? Und was ist nötig, um dorthin zu gelangen?
Ich möchte mich darüber unterhalten, weil ich in den letzten 12+ Jahren das mehrfache Vergnügen hatte, mit einer Reihe von hauptsächlich männlichen Athleten zu arbeiten, die einen grossen Traum gemeinsam hatten: sie wollten Triathlonprofi werden. Achtung, Spoiler: bisher hat kein Einziger dieses Ziel erreicht. Einige haben den Sport gewechselt, andere haben ihren Traum irgendwo zwischen dem ersten Funken der Inspiration und der ersten, ernsthaften Arbeit wieder aufgegeben. Und während all diese geplatzten Träume immer auch ein wenig traurig waren, hinterliessen sie den Blick auf eine einzelne, nicht ganz angenehme Wahrheit: Profisport ist nicht für alle. Und, vielleicht noch wichtiger: es braucht mehr als einen grossen Traum und ein wenig Talent um dort hin zu gelangen.
Um darüber sprechen zu können, was es abgesehen von einer gewissen Performance braucht um als Profi an beispielsweise einem Ironman zu starten, müssen wir uns einer Sache absolut bewusst sein: Die Tage, in denen es genug sein konnte, hart und viel zu trainieren und dann mit einer Methode von "Trial and Error" an die Sache heran zu gehen, sind unwiederbringlich vorbei. Die Wissenschaft und Technologie haben sich alleine in den letzten 10 Jahren so weit entwickelt, dass die Idee des Steppenwolf-Triathleten schlicht nicht mehr zeitgemäss ist. Wo früher stundenlange Sessions auf der Kippe zum Kollaps auf dem Plan standen, haben wie heute tiergehende Diagnostik und gezielte Werte, mit denen metabolische Funktionen getriggert werden. Wo es hiess "ich brauche nur mal eine Nacht guten Schlaf" gibt es heute rund um die Uhr-Monitoring alles physischen Werte um wirklich, wirklich richtig und optimal zu erholen. Seien wir ehrlich: die Dinge haben sich verändert. Und meiner Meinung nach lässt uns das mit vor allem zwei Charakterzügen zurück, die es für den möglichen Erfolg tatsächlich braucht: Die eine ist die Akzeptanz der Realität, die andere der Willen, diese zu verändern.
Mit ist bewusst, dass gerade der erste Punkt, das Akzeptieren der Realität, diese Tage ein wenig heikel ist. Jedoch ist im Sport (und vor allem im Spotzen- und Profisport) schlicht kein Platz für "ich fühle aber etwas anderes". Die Dinge sind, wie sie sind und je schneller man dies akzeptiert, desto besser. Bleiben wir für einen Moment bei dem Beispiel des professionellen Ironman-Rennens: wir wissen heute ziemlich genau, was die physischen Voraussetzungen für einen (in diesem Beispiel männlichen) Athleten sein müssen, um dort mitreden zu können. So solle deine FTP irgendwo zwischen 4,8 und 5,2 Watt pro Kg Körpergewicht angesiedelt sein, dein Körperfett nicht über 8 bis 10% liegen, deine Vo2Max muss über 70 ml/kg liegen und deine Laufökonomie darf sich nicht über 12ml Sauerstoff pro m/s und Kg Körpergewicht befinden. Deine Fatma muss irgendwo bei 15 km/h zu finden sein und wenn du zu irgendeinem Zeitpunkt mehr Kohlenhydrate verbrennst, als du tatsächlich aufnehmen kannst, war's das. Du musst in der Lage sein, 3,8 km unter 50min zu schwimmen und dabei konsequent unter deiner Schwelle bleiben. Und um dem Ganzen noch einen drauf zu setzen: das sind nur die "Plus / Minus" spezifischen Dinge, welche in direktem Zusammenhang mit den drei Hauptdisziplinen stehen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir uns noch nicht über Dinge wie Schlafrhythmus, Erholung, Ernährung und die ganze Peripherie an Dingen unterhalten, die auf den ersten Blick alles andere als wichtig erscheinen, die jedoch am Ende sehr wohl das Zünglein an der Waage sein und darüber entscheiden können, on man es schafft oder nicht. Und für kürzere Distanzen werden diese Zahlen nur extremer.
Mit all dem im Hinterkopf sind wir bereits an dem Punkt angelangt, an dem es nun darum geht, die Realität zu akzeptieren: Selbst nach Jahren des Trainings werden die wenigsten Athleten auch nur in der Nähe von all dem sein. Aus mehreren Gründen. Einer davon ist ziemlich offensichtlich: sie sind sich all dieser Dinge schlicht nicht bewusst. Es gibt unterdessen so viele Meinungen, Ideen und Möglichkeiten rund um die Leistungsdiagnostik, dass es schon eine Aufgabe für sich ist, hier nicht den Überblick zu verlieren. Ein weiterer mag sein, dass der Traum als Solcher schlicht um einiges angenehmer ist als das grelle Licht des Tages: solange man nur genug an sich selbst glaubt, kann alles gut gehen. Das führt dazu, dass man sich ein grosses Sortiment an Ausreden und Erklärungen zurechtlegt, die alle in dem Moment sogar absolut plausibel erscheinen. "Ich bin sicher dass es nicht notwendig ist, meine Ernährung zu protokollieren". "Ich brauche meine HRV nicht zu kennen". "Ich kann nicht so langsam laufen, das macht mich nicht schneller". Und so weiter. Das Problem mit all dem ist: Je mehr dieser kleinen und augenscheinlich unwichtigen Details man ignoriert, desto weiter bewegt man sich vom eigenen Erfolg fort.
Man wird irgendwann an einem Punkt sein, an dem man vielleicht ein paar ganz gute Rennen pro Jahr absolvieren und sich dann selbst (und vielleicht auch den Sponsoren, sollte man glücklich genug sein welche zu haben) einzureden, dass man auf gutem Weg ist und tatsächlich Fortschritte erzielt.
Die Realität hingegen spricht da eine ganz andere Sprache. Und das bringt uns zu Punkt Nr. 2: Den Willen, eben diese Realität zu verändern.
Denn: es ist tatsächlich möglich, das zu tun. Ja, es kann gut sein, dass es einige genetische Stolpersteine und Einschränkungen gibt, doch sehen wir mal über diese hinweg (und das sollten wir an diesem Punkt) wird schnell klar, dass das Potential der menschlichen Leistungsfähigkeit nahezu grenzenlos ist. Es bleiben am Ende nur zwei Fragen: Wie sehr will man es wirklich? Und: wie viel Arbeit ist man willens, auf sich zu nehmen?
Diejenigen, die in den letzten Jahren meinen Rat und meine Hilfe gesucht haben, sind nicht an Mangelndem Talent oder Möglichkeiten gescheitert. Sie sind gescheitert, weil sie schlicht nicht gewillt waren, die notwendige Arbeit, ALLE notwendige Arbeit, zu tun. Darum kam es zu Fehlern, Verletzungen, inkonsequentem Verhalten. Trainings wurden schlampig ausgeführt, zu intensiv, die Erholung vernachlässigt, die Ernährung ignoriert, der Schlaf entzogen. All das führte zu Frustration, mehr Junkmiles, schlechterer Ernährung, weniger Achtsamkeit für die persönliche Pflege. Und so weiter.
Wo will ich mit all dem hin?
Zum einen will ich allen Athletinnen und Athleten zusprechen: Träumt! Träumt gross! Und verfolgt diese Träume! Doch: verliert euch nicht in ihnen. Bleibt realistisch, behaltet den Fokus und vor allem einen offenen Geist. Ihr werdet nirgends hinkommen, wenn ihr schon in eurer ersten Woche ein Weltwissen mit eurem Coach vom Zaun tretet. Tatsächlich ist das eigentlich nie eine gute Idee...
Lasst euch helfen. Akzeptiert diese Hilfe, akzeptiert die Veränderung. Und dann: Show up! (Sprich: nehmt das Training ernst und seid da, wenn es stattfindet!) Macht die Arbeit. Ihr werdet überrascht sein, wie weit ihr kommen könnt!
Herzlich,
Fabian
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