Sprüche und Zitate sind so eine Sache für sich. Heute begegnen sie uns überall und mit grosser Vorliebe auf den sozialen Medien. Da wird motiviert, inspiriert, angefeuert... man könnte den Eindruck gewinnen, dass es auf der Welt keinerlei negativen Energien gibt und dass die ganze Bevölkerung von Instaland in einem permanenten Zustand der geistigen Verzückung ist. Sonnenuntergänge, Karibik, Palmen und über allem das schwebende Orakel: AUSZEIT!
Das ist der Punkt, an dem ich Anstoss nehme. Mir ist es völlig egal, wer da was auf welchen Kanälen von sich gibt, denn: ich muss es mir ja nicht ansehen. Das ist ein Recht, von dem viele Menschen viel zu selten Gebrauch machen: es gibt keinerlei Verpflichtung, sich irgendetwas im Internet anzusehen, zu Herzen zu nehmen oder sich gar darob zu ärgern.
Doch zurück zu meinem heutigen Thema. Warum habe ich etwas gegen eine "Auszeit"?
Vielleicht, weil es mich erschreckt, dass es diese Tage das höchste Ziel zu sein scheint, sich endlich wieder eine solche nehmen zu können. Wir arbeiten nicht mehr für ein Dach über unseren Köpfen und um uns zu ernähren, sondern um in die Ferien zu fahren, den Urlaub zu geniessen, kurz: wir arbeiten uns zu Tode, um von unserem Leben WEG zu kommen.
Ich habe mich oft gefragt, ob mit mir etwas nicht stimmt. Ich war noch nie aus Europa draussen, lässt man mal die Trainingslager auf den kanarischen Inseln aussen vor. Ich war zwar schon einige Male fort von zuhause, doch am Ende kann ich mir nur selbst eingestehen dass ich am liebsten Orte bereise, an denen ich mich, nun, zuhause fühle. An denen ich das Gefühl habe, ebenfalls leben zu können. Ich hatte nie das Bedürfnis, von meiner Arbeit oder meinem Leben im Allgemeinen fort zu müssen. Eine Auszeit zu brauchen.
Das hat für mich irgendwie den Anstrich von religiösem Fundamentalismus: Leide hier und jetzt, damit du es im nächsten Leben gut hast. Leide auf deiner Arbeit, damit du dir eine Auszeit gönnen darfst.
Im Sport darf ich immer wieder Athletinnen und Athleten erklären, dass sie nur dann Erfolg haben werden, wenn sie die notwendige Konsequenz an den Tag legen. Dort wird es nicht funktionieren, wenn man sich selbst einredet, dass es man z.B. nach drei Wochen Training nun verdient hat, eine Woche gar nichts zu tun oder das Training zu vernachlässigen. Hat man Ziele und Ambitionen, ist das schlicht nicht der Weg zum Erfolg.
Warum halten wir es dann aber in unserem Alltag unterdessen für normal, uns kaputt zu schinden und dann, quasi als Belohnung, das hart verdiente Geld im "Luxus" (was ich mit "mit unnötig teuren Hotels und dergleichen" übersetze) wieder auszugeben - nur, damit wir anschliessend für die nächste Dosis Geld schuften dürfen, für die nächste Auszeit?
Ich habe darauf keine Antwort, doch heute sind mir diese Gedanken durch den Kopf gegangen. Ich weiss nur: Ich will das nicht. Ich will kein Leben führen, von dem ich eine Auszeit brauche. Dafür ist mir das dann doch zu kurz.
Macht jemand mit?
Herzlich,
Fabian
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