Rennberichte sind langweilig. Finde ich zumindest. Denn: Selbst bei einer Sportart wie Triathlon, bei der drei Disziplinen hintereinander absolviert werden, gibt es nun mal eine begrenzte Anzahl von Dingen, die man beschreiben kann. Man schwimmt, dann fährt man Rad, dann läuft man. Mal hat man mehr Probleme, mal weniger. Und trotzdem fühlt man sich irgendwie bemüssigt, all das, was einem während so eines Rennens durch den Kopf geht, in Worte zu fassen.
Gestern Abend, nachdem ich eine ansatzweise schmerzfrei Sitzposition auf der Couch gefunden hatte, wurde mir bewusst, dass der Ironman Kopenhagen, den ich zuvor beendet hatte, nicht einfach nur ein Rennen war. Mit diesem besonderen Event verbindet mich nämlich mehr als nur meine Leidenschaft für den Triathlon...
2010 war ich das erste Mal hier. Und ging nach zwei Kilometern auf der Radstrecke wieder nach Hause. Zwei geplatzte Reifen und eine Menge geplatzter Träume schossen mich dermassen aus dem Konzept, dass ich keine Chance hatte, mich wieder aufzurappeln.
2011 kam ich ins Ziel. Doch auch in diesem Rennen lief nicht alles glatt: nach ca. 80km auf der Radstrecke wurde ich in ein Schlagloch geweht, als ich gerade eine Trinkflasche wegwarf und nur eine hand am Lenker hatte. Salto, Schmerzen, übel gestauchtes Handgelenk... der Rest des Rennens war alles andere als nett.
2012 ging es dann nochmals richtig rund: anderthalb Wochen vor dem Rennen fing ich mir eine Lebensmittelvergiftung ein. Erst zwei Tage vor dem Start konnte ich das erste Mal wieder feste Nahrung zu mir nehmen. So endete denn auch dieser Versuch nach knapp 15km der Radstrecke und nach zweimaligem Erbrechen.
Die Jahre, die auf dieses Erlebnis folgten, waren dann von mehreren Dingen geprägt.
Da war zum einen mal meine Firma, die Tricademy - School of Movement, die ich mehr oder weniger aus dem Nichts aufbaute und die mich dazu bewegte, meine sportliche Karriere erst mal an den Nagel zu hängen. Brot oder Träume, das war hier die Frage, und mit leerem Magen träumt es sich halt nicht gut.
Dann kamen meine Koenig-Jahre. Von 2015 bis 2017 tourte ich mit dieser tollen Band als Dudelsackspieler durch Europa. Eine einmalige Erfahrung, die ich niemals missen werde. Noch heute kann ich unsere Musik von damals kaum anhören, ohne dass es mich wortwörtlich zerlegt. Die ganze Welt rund um diese Band hatte mich dermassen begeistert und berührt, dass es eine der absolut schwersten Entscheidungen für mich war, sie wieder zu verlassen. Leider hatte die Realität andere Pläne, weshalb es notwendig war.
Nur... was sollte ich nun nebst der Arbeit machen? Ich startete relativ kurz entschlossen am Ironman in Zürich. Mit mindestens 6kg zu viel auf den Rippen und masslos untertrainiert schleppte ich mich über die Strecke. Und so sehr ich auch litt: mir wurde mit jedem Meter mehr und mehr bewusst, dass das, dass dieser Sport, nach wie vor das war, wofür mien Herz schlug.
Doch einmal mehr hatte mein Leben andere Vorstellungen als ich. Kurz darauf fing ich mir eine wirklich ernste Depression ein. "Man hat dir aber nie was angemerkt", bekam ich in letzter Zeit öfters zu hören. Gut. Das ist nichts, das ich jemandem auch nur in der Peripherie wünsche. Und genau daran kann man wohl auch erkennen, dass es wirklich ernst war. Sie hätte mich denn auch fast "erwischt", um es mal raumgreifend zu umschreiben. Im Herbst 2019 (und nach einem weiteren, nicht wirklich dynamischen, aber deutlich schmerzfreieren Ironman in Zürich) setzte ich mich an den Küchentisch und fragte mich einmal ernsthaft, was ich denn eigentlich wollte. Und alle Zeichen standen auf: nochmals zurück! Noch einmal als Profi bei einem Ironman starten! DAS war es, was ich eigentlich wirklich wollte.
Also begann ich, dafür zu arbeiten. Mit kleinen Schritten, denn da war immer noch diese schwarze Wolke, die über mit zu schweben schien.
Dann kam Corona.
An sich schadete mir das nicht, denn der Lockdown und das Ausbleiben von Rennen führten in meinem Fall dazu, dass ich mich einmal wirklich auf das Training konzentrierte. Erst 2021 würde ich wieder Rennen bestreiten, also konnte ich mich wirklich auf den Aufbau konzentrieren.
Natürlich lief nicht alles so, wie ich es mir gewünscht hatte. Doch ich hatte mir für den Ironman Kopenhagen zwei Ziele gesetzt: 1. wollte ich mich mit der Strecke versöhnen und 2. gesund und unverletzt ins Ziel kommen. Alles weitere war Bonus.
Vier Wochen vor dem Rennen kam dann das, was ich schon 2012 erleben musste: ich fing mir eine erneute Lebensmittelvergiftung ein und mit den rund 3kg, die ich diesmal verlor, verflüchtigte sich auch mein Selbstbewusstsein. Vielleicht war aber genau das das Richtige, denn ich ging mit einem völlig offenen und freien Kopf ins Rennen.
Sie liess noch ein, zweimal grüssen, diese nächtliche Episode auf der Toilette. In Form von Krämpfen und einem generellen Fehlen des "letzten Drückers" - ich stiess immer wieder an eine kleine Grenze. Doch das war etwas, das ich ganz einfach so annahm - ändern konnte ich ja eh nichts daran.
Also schwamm ich. Im eiskalten Wasser und mit Krämpfen in der linken Wade. Mal was neues! Dann fuhr ich Rad. Und obwohl auch dort wieder einige meiner Muskeln ab und an der Meinung waren, dass es echt toll sei, sich zu verkrampfen, ging es immer weiter, durch die wunderschöne, Dänische Landschaft und auf der zweiten Runde ordentlich gegen den Wind. Am Ende stieg ich mit der zweitschnellsten Zeit vom Rad, die ich je gefahren bin.
Das Laufen liess sich gut an und wurde dann immer übler - dort musste ich Federn lassen. Erneute Krämpfe, Schmerzen überall. This is no tea party - das steht auch auf der Finisher-Medaille. Am Ende kam ich ins Ziel, voller Freude und endlich versöhnt mit Kopenhagen und dem Sport an sich.
Nun geht es weiter.
Herzlich,
Fabian
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